Länderbahnen (... - 1920)
E
nde des 19. Jahrhunderts gab es bei den Eisenbahnen Deutschlands und im Vereinsgebiet der Deutschen Eisenbahnverwaltungen erste Gedanken, wie man zur Rationalisierung des Betriebs und zu einer durchaus gewünschten Trennung des Personen- vom Güterzugdienst die Lokomotive und den Personenwagen miteinander kombinieren kann.
Ein erster betriebstauglicher Dampftriebwagen nach dem System Thomas entstand 1879 durch die Maschinenfabrik Esslingen (ME) für die Hessische Ludwigs-Eisenbahn, dem 1880 und 1881 jeweils ein Exemplar nachfolgten. Etwa zeitgleich wurden vier sogenannte »Weissenbornsche Dampfwagen System Rowan« für die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (NME) in Dienst gestellt, die auf der Berliner Ringbahn verwendet worden sein sollen. Weitere Dampfwagen entstanden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten, die sich ausgesprochen unterschiedlich bewährten. Insgesamt waren diese Fahrzeuge offenbar nicht der große Wurf: Das bezog sich sowohl auf die betriebliche Sicht als auch auf den Fahrkomfort für den Reisenden.
Elektrische Triebwagen entstanden verstärkt in den 1890er-Jahren bei einigen Lokalbahnen, zeitgleich mit der Verbreitung solcher Wagen bei einigen Straßenbahnbetrieben. Der amerikanische Erfinder Frank Julian Sprague entwickelte schon 1891 sein Multiple unit system und damit das Triebzug-Prinzip, bei dem jeder Wagen seinen eigenen Antriebsmotor besitzt, der über durchlaufende elektrische Leitungen von einem einzelnen Fahrzeugführer gleichmäßig und effizient gesteuert werden konnte.
Bei der Preußisch-Hessischen Eisenbahn wurden 1900 zwei Versuchstriebwagen mit Stromschienenbetrieb für 750 V Gleichspannung auf der Wannseebahn getestet. Ab 1903 wurden auch auf der Lichterfelder Vorortbahn mit neuen Triebwagen für 550 V Gleichspannung im Stromschienenbetrieb durchgeführt. Im gleichen Jahr begannen auf der Zweigstrecke Schöneweide – Spindlersfeld Tests mit erstmalig zwei Triebwagen für Einphasen-Wechselstrom mit 6 kV 25 Hz im Oberleitungsbetrieb. Die durchweg vielversprechend verlaufenden Versuche mündeten in der Entscheidung, ab 1905 die Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn mit diesem System aufzubauen. Über 150 Triebwagen wurden bis 1913 für Hamburg und Altona in Dienst gestellt. Ab 1913 wurden in Preußen dann die ersten Oberleitungstriebwagen für 15 kV, 16 2/3 Hz gebaut und die Weichenstellungen für das ausgedehnte Berliner S-Bahn-Netz vorgenommen.
Um 1900 herum erprobten die deutschen Länderbahnen auch vereinzelt den Verbrennungsmotor als Antriebsaggregat für Triebwagen, nachdem in Württemberg 1887 die erste, durch einen Verbrennungsmotor angetriebene viersitzige Draisine vorgestellt und 1893 ein ähnlich motorisierter umgebauter Straßenbahntriebwagen auf der Strecke Saulgau – Riedlingen getestet worden war. Viele technische Probleme, vor allem in Bezug auf die Betriebsfestigkeit der Motoren und der Kraftübertragung, verhinderten auch hier den schnellen Durchbruch und führten zu zahlreichen Fehlschlägen. Es blieb zumeist bei Einzelwagen. Erst in den 1920er-Jahren, und damit zu Reichsbahnzeiten, sollte der Dieselmotor dem Triebwagen zum Durchbruch helfen.
Ab 1896 testeten die Pfälzischen Eisenbahnen elektrische Triebwagen mit Akkumulatoren mit recht guten Ergebnissen, wenngleich sich solche Fahrzeuge bei einigen Straßenbahnbetrieben nicht sonderlich gut bewährten. Auch Württemberg, Bayern, Baden und Sachsen testeten solche Wagen mit weniger erfreulichen Ergebnissen. Vor allem in Preußen glaubten die Eisenbahner aber an die Akkutriebwagen, der hier wegen seiner technischen und betrieblichen Zuverlässigkeit einen wahren Siegeszug antrat. Bis Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte Preußen bereits über 100 Akkutriebwagen in Dienst gestellt, die flächendeckend eingesetzt wurden. Bis 1914 wurden 184 Akkutriebwagen angeschafft.
In der Menüspalte links sind die einzelnen Länderbahnen aufgeführt, die bis 1920 Triebwagen angeschafft haben. Die Listen liefern einen umfassenden Überblick über die einzelnen Fahrzeuge.
Text: © Malte Werning