Dampftriebwagen
Zweiachsige Dampftriebwagen
Als die Reichseisenbahnen 1920 bzw. die DRG / Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft 1924 gegründet wurde, übernahm sie neben diversen elektrischen Triebwagen aus der Länderbahnzeit auch einige Dampftriebwagen aus den Beständen der ehemaligen Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen (K.W.St.E) und der Großherzoglich Badischen Staatseisenbahn (Bad.St.E.). Dies waren allesamt Fahrzeuge, die bei der Maschinenfabrik Esslingen gebaut wurden und mit einem Kittel-Dampfkessel ausgerüstet waren. Die Dampfwagen hatten keine große Leistungsfähigkeit, galten aber generell als zuverlässig und betriebssicher.
In der Geschichte der Triebwagen ist das Kapitel der Dampftriebwagen das älteste. Schon sehr früh wurde versucht, Antrieb und Sitzplatzangebot in einem Wagen zu vereinen und so ein kostengünstiges Fahrzeug für schwächer ausgelastete Strecken zu erschaffen. Verschiedene Antriebsvarianten wurden erprobt, doch galt es grundsätzlich stets als schwierig, den Dampfkessel und die übrigen Antriebsteile platzsparend zu konstruieren. Wegen vieler Rückschläge wurden jahrzehntelang nur einzelne Versuchsfahrzeuge gebaut. Die ersten tatsächlich erfolgreichen Dampftriebwagen waren schließlich die von der Maschinenfabrik Esslingen entwickelten »Württembergischen Dampfwagen«, die zunächst mit Serpollet-Kessel, ab 1905 dann mit stehendem Kittel-Kessel in immerhin 17 Exemplaren an die Königlich Württembergische Staats-Eisenbahnen geliefert wurden. Acht weitere Triebwagen lieferte Esslingen 1914/15 auch an die Badische Staatseisenbahn. Insgesamt 14 Wagen wurden von der DRG noch eingesetzt, die im Nummernplan von 1930 (gemäß des im Reisezugnummernplans für Dampftriebwagen vorgesehenen Bereichs) von 1 bis 14 neu durchnummeriert wurden.
1932 lieferte Wegmann den zweiachsigen Wagen 15 mit einem entsprechenden Kesseltyp, im Folgejahr den Wagen 16 mit einer von Borsig weiterentwickelten Variante des Doble-Kessels.
Mit der Auflösung der DRG im Februar 1937 fehlten bereits die zweiachsigen Dampfwagen 4, 5, 6, 10, 11 und 12 in den Listen, von denen nur der Verbleib des Wagens 6 bekannt ist, der 1936 an die Kahlgrund-Eisenbahn abgegeben und in den Kriegsjahren an die Oderbruchbahn weitergereicht wurde. Die nachfolgende Liste umfasst die zweiachsigen Dampftriebwagen im Zeitraum zwischen 1930 und 1949. Fahrzeuge, die in diesem Zeitraum aus dem Bestand ausschieden, sind farbig unterlegt.
In Folge der Kriegsereignisse 1939-1945 ging ein Teil der Dampftriebwagen verloren bzw. war nach Kriegsende nicht mehr verwendbar. Die Wagen 15 und 16 wurden bereits 1939/40 ohne ihre Maschinenanlage als antriebslose Beiwagen weiterverwendet, Wagen 14 gilt als Kriegsverlust. Die Wagen 2, 3 und 9 verblieben nach 1945 in Frankreich und wurden noch einige Jahre durch die SNCF weiter betrieben. Wagen 7 wurde erst kurz vor Gründung der DB ausgemustert. Es verblieben somit die Wagen 1 und 8, die 1949 noch von der DB übernommen wurden.
Fahrzeugnummer | Hersteller (mech.) | Fabriknummer | Baujahr | Gattung | Skizzenblatt | Achsfolge | Bauart | ||||||
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16 Fahrzeuge | |||||||||||
1 | ME (Esslingen) | 9544 | 1914 | A1-h2t | |||||||
2 | ME (Esslingen) | 9545 | 1914 | A1-h2t | |||||||
3 | ME (Esslingen) | 9546 | 1914 | A1-h2t | |||||||
4 | ME (Esslingen) | 11126 | 1915 | A1-h2t | |||||||
5 | ME (Esslingen) | 11127 | 1915 | A1-h2t | |||||||
6 | ME (Esslingen) | 11128 | 1915 | A1-h2t | |||||||
7 | ME (Esslingen) | 11129 | 1915 | A1-h2t | |||||||
8 | ME (Esslingen) | 11130 | 1915 | A1-h2t | |||||||
9 | Decauville (Corbeil) | 243 | 1896 | CdT | A1-h2 | ||||||
10 | ME (Esslingen) | 8901 | 1909 | CidT | A1-h2t | ||||||
11 | ME (Esslingen) | 8902 | 1909 | CidT | A1-h2t | ||||||
12 | ME (Esslingen) | 8349 | 1903 | CidT wü 02 | A1-n2t | ||||||
13 | ME (Esslingen) | 8429 | 1905 | CidT | A1-h2t | ||||||
14 | ME (Esslingen) | 8350 | 1903 | CidT wü 02 | A1-n2t | ||||||
15 | Wegmann (Cassel) | ? | 1932 | CidT-32 | A1-h2 | ||||||
16 | Wegmann (Cassel) | ? | 1933 | CidT-33 | A1-h2 |
Vierachsige Dampftriebwagen
Auch die DRG versuchte Anfang der 1930er-Jahre – parallel zu der erfolgversprechenden Weiterentwicklung der Verbrennungstriebwagen – das Thema Dampftriebwagen erneut anzustoßen. Auslöser waren vielversprechende Testergebnisse mit der in den USA entwickelten vollautomatischen Dampferzeugungsanlage des Typs Doble. Dabei handelte es sich um einen ölgefeuerten Hochdruck-Kessel und einer Abdampf-Kondenseinrichtung. Die Dampfmaschine war über ein Zahnradgetriebe mit dem Treibradsatz verbunden. Insgesamt zeigte der Dampferzeuger vielversprechende Resultate, aber vor allem hoher Brennstoffverbrauch trübte die Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
Neben den zweiachsigen Wegmann-Wagen 15 und 16 wurden die Versuche auch auf vierachsige Triebwagen ausgeweitet, die zur Unterscheidung Nummern ab 51 erhielten: Noch 1932 lieferte Wegmann drei Vierachser, die Kesselvarianten von Henschel (51) und Borsig (52, 53) erhielten. Weitere vierachsige Versuchswagen (54, 55, 56, 57, 58) entstanden 1934/35/36 und wurden ebenfalls mit der Henschel- und der Borsig-Variante des Doble-Kessels ausgerüstet. Für diese Fahrzeuge fertigte Uerdingen 1934 fünf Steuerwagen mit den Nummern 145 090 bis 145 094, die allerdings in ihrer Gattungsbezeichnung BC4ivS-34a eher auf einen Verwendungszweck gemeinsam mit Verbrennungstriebwagen hindeuteten. Interessanterweise wurden die Wagen 54, 55 und 56 nicht mehr zu DRG-Zeiten ausgeliefert, sondern erst 1938.
Nachdem Borsig seinen Dampferzeuger optimiert und für den Einsatz heimischer Rohstoffe ausgelegt hatte, plante die DRB den Bau von vier weiteren Versuchstriebwagen, für die die Nummern 59 bis 62 vorgesehen waren. Die Fahrzeuge waren baugleich geplant, sollten aber mit verschiedenen Feuerungstechniken bestückt werden (Steinkohlenteeröl, Schwelkoks, Stücksteinkohlefeuerung etc.). Die Waggonfabrik Wismar realisierte kriegsbedingt 1937 nur Wagen 59 (mit Schwelkokserzeuger), die übrigen Fahrzeuge wurden kriegsbedingt storniert bzw. die Arbeiten an ihnen abgebrochen. Der Wagen wurde intensiv erprobt, kam aber wegen einer Vielzahl an Mängeln nicht in den planmäßigen Betriebseinsatz. Da sich keine bahnbrechenden Erfolge einstellten, gab die DRB letztlich die weitere Entwicklungsarbeit in Dampftriebwagen auf und dadurch den aussichtsreicheren Verbrennungstriebwagen Vorzug.
Ab 1938 wurden weitere zwei Dampftriebwagen, die durch die politisch bedingte Expansion der Reichsbahn einverleibt wurden, in diesen Nummernbereich eingereiht:
- 01.01.1938
Verstaatlichung der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE): Ein vierachsiger Dampftriebwagen (DT 2000) wird mit der neuen Nummer 63 übernommen. - 01.01.1942
Übernahme der Aspangbahn: Ein vierachsiger Dampftriebwagen wird (offenbar versehentlich) mit der Nummer 17 übernommen, also dem Nummernplan entsprechend als zweiachsiger Wagen.
Die Wagen 51, 58 und 63 gelten als Kriegsverlust. Letzterer soll alten Berichten zufolge recht zuverlässig gewesen sein und wurde regelmäßig zwischen Hamburg und Lübeck eingesetzt. Durch die Abspaltung und Neugründung der österreichischen Staatsbahn im April 1945 verblieb der Wagen 17 (ehemals Dampftriebwagen 101 der Aspangbahn) in Österreich.
Fahrzeugnummer | Hersteller (mech.) | Fabriknummer | Baujahr | Gattung | Skizzenblatt | Achsfolge | Bauart | ||||||
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11 Fahrzeuge | |||||||||||
17 | WLF (Wien) | 3085 | 1935 | C4idT | B'2'-h3 | ||||||
51 | Wegmann (Cassel) | ? | 1934 | BC4idT-32 | Bo'2'-h4v | ||||||
52 | Wegmann (Cassel) | 36719 | 1935 | BC4idT-32 | Bo'2'-h4v | ||||||
53 | Wegmann (Cassel) | 36720 | 1936 | BC4idT-32 | Bo'2'-h4v | ||||||
54 | Wegmann (Cassel) | ? | 1938 | BCPw4iDT-34 | Bo'2'-h4v | ||||||
55 | Wegmann (Cassel) | ? | 1934 | BCPw4iDT-34 | Bo'2'-h4v | ||||||
56 | Wegmann (Cassel) | ? | 1938 | BCPw4iDT-34 | Bo'2'-h4v | ||||||
57 | Wegmann (Cassel) | ? | 1935 | BCPw4idT | Bo'2'-h4v | ||||||
58 | Wegmann (Cassel) | ? | 1935 | BCPw4idT | Bo'2'-h4v | ||||||
59 | Wismar (Wismar) | 21953 | 1937 | BCPw4itrdT | 2'Bo'-h4v | ||||||
63 | Wismar (Wismar) | ? | 1934 | BCPw4üdt-33 | Bo'2'-h4v |
Die Versuche mit Dampftriebwagen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgenommen.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Lange, Hans-Joachim: Letzter Versuch. Dampftriebwagen 59. In: Lok-Magazin 431 (2017).
- Willhaus, Werner: Kittel-Dampftriebwagen. Innovation des Nahverkehrs vor 100 Jahren. Freiburg 2008.