Triebwagentypen der AEG
D
ie Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) hat bereits vor und während des Ersten Weltkrieges Pionierarbeit bei dem Bau benzolelektrischer Verbrennungstriebwagen geleistet. Der Elektrokonzern lieferte dabei zwischen 1908 und 1911 die elektrische Ausrüstung für mehrere Benzoltriebwagen mit elektrischer Kraftübertragung an die Preußische Staatsbahn sowie an die Großherzoglich Oldenburgische Staatsbahn, die diese Fahrzeuge ausgiebig testeten. Die zugehörigen Motoren wurden dabei teilweise auch von der AEG-Tochter Neue Automobil-Gesellschaft AG (N.A.G.) bereitgestellt. Dieses Konzept – ein gemeinsamer Antriebsstrang aus NAG-Verbrennungsmotor und elektrischer Ausrüstung von AEG – wurde in den Folgejahren immer wieder aufgegriffen und perfektioniert. Die Wagenkästen der jeweiligen Fahrzeuge wurden dabei von Subunternehmern angefertigt. Da der Lieferant des wagenbaulichen Teils meist als Gesamthersteller genannt wird, sind diese Zusammenhänge in der Literatur nicht immer durchschaubar.
Benzoltriebwagen für Ostpreußen und Oberschlesien (1911-1914)
Im Herbst 1911 lieferte die AEG einen benzolelektrischen Triebwagen für 750 mm Spurweite an die Königsberger Kleinbahn, mit dem die Bahn die betriebliche Trennung von Personen- und Güterverkehr forcieren wollte. Der Wagenkasten wurde beim Königsberger Waggonbauhersteller Steinfurt gefertigt. Der Triebwagen befriedigte aber bei Probefahrten nicht, der Wagenkasten vibrierte stark. Die Berliner Architekten Walter Gropius und Adolf Meyer überarbeiteten daraufhin die Konstruktion, bei der die Maschinenanlage an ein Fahrzeugende außerhalb des Fahrgastraumes verbannt wurde. Der Wagen wurden bis 1913 umgebaut.
Nach dem Vorbild des Umbauwagens fertigte die AEG gemeinsam mit Steinfurt und der NAG 1914 insgesamt sechs weitere benzolelektrische Vierachser, von denen zwei für die Königsberger Kleinbahn und drei für die Insterburger Kleinbahn bestimmt waren, allesamt für 750 mm Spurweite. Dabei kamen wassergekühlte Vierzylindermotoren des NAG-Typs 480 mit rund 41 kW Leistung zum Einbau. Ein weiterer baugleicher Triebwagen, allerdings für 785 mm Spurweite, wurde an die Schlesische Kleinbahn-AG geliefert für den Einsatz auf der Strecke Gleiwitz – Rauden – Ratibor und mit Straßenbahnkupplung ausgerüstet.
Hersteller (mech.) | Fabriknummer | Baujahr | Betreiber | Fahrzeugnummer | Achsfolge | Bauart | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
7 Fahrzeuge | |||||||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1914 | JKB | 51 | 2'Bo'-be | ||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1914 | JKB | 52 | 2'Bo'-be | ||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1914 | JKB | 53 | 2'Bo'-be | ||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1911 | K.K.B. | 51 | 2'Bo'-be | ||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1914 | K.K.B. | 52 | 2'Bo'-be | ||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1914 | K.K.B. | 53 | 2'Bo'-be | ||||||
Steinfurt (Königsberg) | ? | 1914 | Schles. Klb. | T 1 | 2'Bo'-be |
Versuchswagen und Typenprogramm
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs griff der Elektrokonzern sein Konzept zur Vermarktung von Verbrennungstriebwagen wieder auf. Derartige Fahrzeuge gab es zu diesem Zeitpunkt nur vom Konkurrenten Deutsche Werke Kiel AG (DWK) in Kiel, der ebenfalls dieses Marktsegment für sich entdeckte.
Das Konzept sah nun die Verwendung von serienmäßigen 75-PS-Benzolmotoren des Typs KL 10 Z (55 kW) und Schaltgetrieben der N.A.G. vor. Die elektropneumatische Steuerung von Motor und Getriebe war hingegen eine Eigenentwicklung der AEG. Für den wagenbaulichen Teil wurde LHL als Subunternehmer beauftragt, an denen die AEG durch Aktientausch Anteile hielt. Die Fertigung übernahm dann das LHL-Werk in Cöln-Ehrenfeld (bis 1917 als Waggonfabrik P. Herbrand & Cie. firmierend).
Ein erster zweiachsiger Versuchswagen entstand 1921, der ab Herbst für allerlei Vorführ- und Demonstrationsfahrten auf der Kreisbahn Beeskow – Fürstenwalde und später bei der Kleinbahn Bergedorf – Geesthacht und bei der Limburgischen Kleinbahn-Gesellschaft verwendet wurde.
Hersteller (mech.) | Fabriknummer | Baujahr | Betreiber | Fahrzeugnummer | Achsfolge | Bauart | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 Fahrzeuge | |||||||||||
LHL (Cöln) | ? | 1921 | AEG | A1-bm |
Nachdem der Versuchswagen seine grundsätzliche Bahntauglichkeit unter Beweis stellen konnte, erarbeitete die AEG ein Typenprogramm für »Öltriebwagen«. die aus drei zweiachsigen Modellen (A1 bis A3) und zwei Varianten mit Drehgestellen (B1, B2) bestand. In der Praxis blieb aber eine kosteneffiziente Serienfertigung schwierig, da fast jeder Kunde individuelle Wünsche hatte. Letztlich wurden insgesamt 107 Triebwagen (inklusive einiger Benzol-Straßenbahnen) gebaut und verkauft, wobei einige Fahrzeuge im wagenbaulichen Teil auch bei Van der Zypen, Dessau und Beuchelt entstanden. Ein Großteil davon ging in den Export nach Dänemark, Südamerika und China. Die Exportfahrzeuge gehören aber nicht zum Thema dieser Seite.
Wegen des eher überschaubaren Verkaufserfolgs schloss sich die AEG 1926 mit ihrem Konkurrenten DWK zusammen und gründete die Triebwagenbau AG (TAG), die sich dann auf die Herstellung von Antriebsanlagen spezialisierte. Diese Kooperation hielt bis 1937 an.
Die nachfolgenden Listen führen die Fahrzeuge auf, die in Deutschland zum Einsatz kamen, also ohne reine Exportfahrzeuge. Von den Typen A 1 und A 2 sind keine Exemplare bekannt, die in Deutschland eingesetzt wurden.
Typ A 3 (»Schleswig«)
Zu den Triebwagen des Typs A3 gehören regelspurige zweiachsige Triebwagen mit einer Kapazität von rund 50 Sitzplätzen. Die Triebwagen waren nach der sogenannten »schweren Bauart« konstruiert und in Nietbauweise hergestellt. Ein Merkmal der Fahrzeuge war der unter dem motorseitigen Führerstand liegende Lamellenkühler und der auf dieser Fahrzeugseite liegende Luftschacht auf dem Dach, durch den die Kühlanlage genügend Frischluft auch bei Rückwärtsfahrt erhielt. Der Innenraum war unterteilt in ein Abteil für Raucher mit 30 Sitzplätzen sowie eines für Nichtraucher mit 20 Sitzplätzen. Toiletten waren nicht vorgesehen. Im Innenraum waren die Sitze, Trennwände, Verkleidungen und Blenden in Holzbauweise sowie spezielle Fenster in Fallfensterausführung. Die Länge der Fahrzeuge betrug im Regelfall 11,6 Meter (Innenrahmen) zuzüglich Puffer.
Nach Deutschland fanden die nachfolgenden 13 Fahrzeuge Abnehmer, und zwar drei Kleinbahnen in Schleswig-Holstein (Schleswiger Kreisbahn, Kreis Oldenburger Eisenbahn und Südstormarnsche Kreisbahn). Der Kooperationspartner LHL hatte bei einer Reihe weiterer Fahrzeuge das Nachsehen, denn AEG verkaufte auch Lizenzen für den wagenbaulichen Teil an Van der Zypen & Charlier für den Bau einer weiteren Serie von sieben Fahrzeugen für die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft (S.E.G.), wo die Fahrzeuge unter anderem auf der Kaiserstuhlbahn eingesetzt wurden. Auch der Grünberger Hersteller Beuchelt übernahm den Lizenzbau für einen Triebwagen der Eulengebirgsbahn.
Bei allen Wagen wurden die Motoren in den 1930er- bis 1950er-Jahren durch Dieselmotoren ersetzt, die meist auch leistungsfähiger waren. Dabei verloren die Triebwagen ihren markanten Luftschaft auf der Motorseite.
Hersteller (mech.) | Fabriknummer | Baujahr | Betreiber | Fahrzeugnummer | Achsfolge | Bauart | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
13 Fahrzeuge | |||||||||||
Beuchelt (Grünberg) | ? | 1925 | E.G.B. | 1021 T | A1-bm | ||||||
LHL (Cöln) | ? | 1924 | SK | T 1 | A1-bm | ||||||
LHL (Cöln) | ? | 1925 | SK | T 2 | A1-bm | ||||||
LHL (Cöln) | ? | 1925 | S.St.Krb. | MT 1 | A1-bm | ||||||
LHL (Cöln) | ? | 1925 | S.St.Krb. | MT 2 | A1-bm | ||||||
LHL (Cöln) | ? | 1925 | KOE | T 1 | A1-bm | ||||||
vdZC (Köln) | ? | 1925 | S.E.G. | T 1 | A1-bm | ||||||
vdZC (Köln) | ? | 1925 | S.E.G. | T 2 | A1-bm | ||||||
vdZC (Köln) | 145450 | 1925 | S.E.G. | T 3 | 1A-bm | ||||||
vdZC (Köln) | 144310 | 1925 | S.E.G. | T 4 | A1-bm | ||||||
vdZC (Köln) | 145371 | 1925 | S.E.G. | T 5 | 1A-bm | ||||||
vdZC (Köln) | 145451 | 1925 | S.E.G. | T 6 | 1A-bm | ||||||
vdZC (Köln) | ? | 1925 | S.E.G. | T 7 | A1-bm |
Typ B 1
Als Typ B 1 vermarktete AEG regelspurige vierachsige Triebwagen, die mit zwei Maschinenanlagen ausgerüstet wurden. Jeder der beiden Motoren befand sich an einem Wagenende und trieb die jeweils innere Achse des zugehörigen Drehgestells an. Die Wagen wurde mit 54 Sitzplätzen und rund 24 Tonnen Leergewicht gebaut und waren mit einer Rahmenlänge von 11,83 Metern nur unwesentlich länger als die Wagen des Typs A3.
Typ B 2 (»Flensburg«)
Auf ähnlicher Konzeption basierten vier Triebwagen für 1000 mm Spurweite, die 1925 zu jeweils zwei Fahrzeugen für die Flensburger Kreisbahn und die Rendsburger Kreisbahn geliefert wurden. Diese Fahrzeuge wurden vierachsig mit jeweils zwei Drehgestellen ausgeführt, waren 12,935 Meter lang und boten 40 Sitz- sowie 30 Stehplätze. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 35 km/h.
Ähnlich wie die Zweiachser waren diese Fahrzeuge in Nietbauweise hergestellt, besaßen fünf seitliche Fenster mit Doppeloberlicht sowie zurückgesetzte Einstiegstüren, die einen großen Gepäckraum ermöglichten. Der 75-PS-NAG-Benzolmotor war an einem Fahrzeugende unterflur gelagert, ragte aber dennoch in den Fahrgastraum hinein. Über eine Gelenkwelle wurde die innere Achse des motorseitigen Drehgestells angetrieben. Von dort aus wurde auch die äußere Achse über eine Kuppelstange verbunden. Die Motorseite wurde von einem großen Frontkühler und einem bis auf das Dach reichenden Luftschacht geprägt.
Später wurden die nicht mehr zeitgemäßen Benzolmotoren durch stärkere Dieselmotoren ersetzt. Der Luftschacht konnte dabei entfallen, so dass die Frontpartie ein zusätzliches Fenster erhielt. Die vier Triebwagen durchlebten ab den 1950er-Jahren noch mehrere Stationen in Norddeutschland und Westfalen.
Vierachser für die Vorgebirgsbahn
Im April 1926 lieferte AEG insgesamt fünf vierachsige Triebwagen für 1000 mm Schmalspur an die Köln-Bonner Eisenbahn, um den Verkehr auf der 35 km langen Vorgebirgsbahn Köln – Brühl – Bonn zu beschleunigen. Die Wagen mit den Nummern 300 bis 304 basierten auf Exportfahrzeugen für die brasiliansiche Centralbahn und passten nicht in das bisherige AEG-Typenschema. Jeder dieser Wagen besaß eine Motoranlage an jedem Wagenende. Ein Zug bestand aus etwa sieben Wagen, bei denen im Zugverband eingereihte Motorwagen vom Führerstand des ersten Wagens über Vielfachsteuerung ferngesteuert wurden.
Die Fahrzeuge blieben bis zur Elektrifizierung der Strecke im Oktober 1934 im Einsatz. Vier Wagen wurden daraufhin an die Mindener Kreisbahnen und an die Weimar-Rastenberger Bahn verkauft. Ein Rückschluss der KBE-Nummern zu ihren späteren (bekannten) Lebensläufen ist leider nicht zweifelsfrei möglich, so dass die Fahrzeugnummern nachfolgend nur als »30x« aufgelistet werden können.
DRG-Fahrzeuge
Neben diesen Triebwagen für deutsche Klein- und Privatbahnen lieferte die AEG 1926 auch noch acht Triebwagen in verschiedenen Ausführungen an die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG).für den Versuchseinsatz bei der DRG. Neben den vier Benzoltriebwagen 701, 702, 703 und 704, die sich in ihrer Konfiguration und ihren Abmessungen weitgehend an den Fahrzeugen des Typs A3 orientierten, waren dies die Lenkachs-Doppeltriebwagen 713 + 714 und 715 + 716 (wagenbaulich von Wegmann erstellt) sowie die beiden vierachsigen Wagen 755 und 756. Den DRG-Fahrzeugen war gemeinsam, dass sie sie zwar die markante AEG-Stirnlüfteroptik beibehielten, sich sonst aber in Bezug auf den Wagenkasten und Fensteranordnung stärker an die DRG-Normalien dieser Zeit orientierten.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Dietz, Günther / Winkler, Dirk: Verbrennungstriebwagen der Deutschen Reichsbahn sowie zugehörige Bei- und Steuerwagen. Band 1. München 2021.
- Greß, Gerhard / Petzold, Jörg: Ostpreußen und seine Verkehrswege. Fürstenfeldbruck 2020.
- Löttgers, Rolf: Die Benzoltriebwagen der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG/NAG) 1907-1928. In: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 16.Lübbecke 1984.
- Löttgers, Rolf: VT-Kleinserie anno 1925: van der Zypen-VT für die SEG. In: Lok-Magazin 195 (1995)
- Löttgers, Rolf / Dreyer, Horst / Schmidt, Pero: Kleinbahn Verden–Walsrode. Verden 2008.
- Löttgers, Rolf: Von der Eifel bis zur Nordsee. Das weitere Schicksal der 1926 bis 1928 für die Vorgebirgsbahn Köln–Bonn beschafften Bezoltriebwagen. Teil 1. In: Eisenbahn-Geschichte 97 (2019).
- Löttgers, Rolf: Große Pläne. Das weitere Schicksal der 1926 bis 1928 für die Vorgebirgsbahn Köln–Bonn beschafften Bezoltriebwagen. Teil 2. In: Eisenbahn-Geschichte 98 (2020).
- Petzold, Jörg: Schmalspur-Album Ostpreußen - Kleinbahnen in Preußen 1898–1945. Zittau 2024.