ET 195
Mit der Gründung der Deutschen Bundesbahn am 7. September 1949 hat sie auch die 6,6 km lange 1000mm-spurige Überlandstraßenbahn Ravensburg – Weingarten – Baienfurt übernommen, die mit den völlig überalterten und zwischen 1887 und 1914 beschafften LAG-Triebwagen der Baureihen ET 196 und ET 197 nebst Beiwagen betrieben wurde. Um die Taktfrequenz auf der mit 750 V Gleichspannung betriebenen Strecke zu erhöhen, beschaffte die DB 1954 zwei moderne vierachsige Straßenbahntriebwagen bei Düwag in Düsseldorf. Die Triebwagen entsprachen bis auf Details den regulären Straßenbahnwagen des Herstellers und wurden lindgrün lackiert.
Wagenkasten und Drehgestelle wurden in Stahlleichtbauweise ausgeführt. Die Einstiege waren, dem Einsatzgebiet entsprechend, nur auf einer Wagenseite vorhanden. Die beiden Triebwagen waren als Zweirichtungsfahrzeuge ausgelegt, besaßen also beidseitig Führerstände. Sie hatten eine »compakt«-Mittelpufferkupplung, wobei beide Fahrzeuge miteinander in Doppeltraktion eingesetzt werden konnten. Der Innenraum war als Großraumabteil mit 34 gepolsterten Sitzen und 66 Stehplätzen ausgelegt. Widersprüchliche Angaben gibt es dazu, ob die beiden Triebwagen zwei- oder dreistellige Ordnungsnummern trugen – wir haben uns in der nachstehenden Liste für die zweistellige Variante entschieden.
Nach nur fünf Einsatzjahren stellte die DB den Bahnbetrieb zwischen Ravensburg und Baienfurt 1959 ein, so dass die beiden ET 195 arbeitslos und am 30. Juni 1961 ausgemustert wurden.
Noch 1961 wurden beide Wagen in die Niederlande an die Rotterdamsche Tramweg-Maatschappij verkauft, wo sie auf 1067 mm Spurweite umgebaut wurden. Die Doppeltüren wurden dabei zu Einzeltüren umgebaut, die dadurch gewonnenen Türflügel baute die Werkstatt auf der bislang einstieglosen Wagenseite ein. Die beiden Wagen sollten künftig in einem dieselelektrischen Zugverband eingesetzt werden, daher wurde jeweils ein Führerstand entfernt und als Mittelwagen ein neuer Generatorwagen aufgebaut.
1967 wurde der dreiteilige Zugverband nach Österreich an die Zillertalbahn verkauft, wo die Spurweite auf 760 mm abgeändert wurde. Nach ihrer Außerdienststellung 1994 gelangten sie 1999 erneut in die Niederlande. Heute rollt der Zug, erneut auf 1067 mm umgespurt, bei der Stichting voorheen RTM in Ouddorp an der niederländischen Nordseeküste über den Brouwersdam.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
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Rampp, Brian: Die Straßenbahn der DB. In: Elektrotriebwagen 401 bis ET 197. München (2017)