Nummernschema
Die in Preußen übliche Wagennummerierung der Fahrzeuge wird in der Literatur nicht immer einheitlich dargestellt. Hierzu gibt es zahlreiche Fundstellen, und man muss heute davon ausgehen, dass im großen Preußen Beschriftungen und Bezeichnungen auch durchaus von Direktion zu Direktion anders gehandhabt wurden. Es ist allerdings allgemein anerkannt, dass bei Lokomotiven regelmäßig die Nummer an erster Stelle stand, gefolgt von der Direktionsbezeichnung, und es bei den Wagen andersherum geschah - also die ausgeschriebenen Direktionsbezeichnung und eine laufende Nummer. Welche Nummern vergeben wurden, entschieden die Direktionen jeweils für sich. So konnte es durchaus sein, dass verschiedene Fahrzeuge mit der gleichen Nummer in verschiedenen KED im Einsatz sein konnten. Die Angabe der Direktionsbezeichnung war daher wichtig, um das Fahrzeug einwandfrei identifizieren zu können. Wechselte ein Fahrzeug seine Direktion, was seinerzeit eher die Ausnahme als die Regel war, erhielt das Fahrzeug von seiner neuen Direktion eine neue Nummer und wurde entsprechend umbeschriftet.
Nummernplan von 1910
1910 führten die Königlich Preußischen Staatsbahnen ein neues Nummernsystem für Triebwagen ein, das hier Abhilfe schaffen sollte: Bei sämtlichen Triebwagen erfolgt die Nummerung nun durchlaufend für den ganzen Staatsbahnbereich. Horst Troche schreibt in seinem Buch »Die Akkumulator-Triebwagen der Preußisch-Hessischen Staatseisenbahnen und der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft« (Freiburg 1997) dazu, dass der Minister der öffentlichen Arbeiten am 6. September 1909 einen Plan für die Umnummerung der Triebwagen erließ, der durch Verfügung des Eisenbahn-Zentralamtes vom 29. Dezember 1909 den Eisenbahndirektionen mitgeteilt und im Laufe des Jahres 1910 umgesetzt wurde. Die Nummernbereiche wurden folgendermaßen aufgeteilt:
0 - 99 | Dampftriebwagen |
101 - 199 | Verbrennungstriebwagen |
201 - 499 | Akkumulatortriebwagen |
501 - 999 | Elektrische Triebwagen |
Nicht einheitlich umgesetzt war die Verwendung von Abkürzungen vor der Betriebsnummer, um die Antriebsart zu erläutern. Die Verbrennungstriebwagen sollten mit »V.T.« vor der Nummer bezeichnet werden, Elektrotriebwagen mit »E.T.« und Akkumulatortriebwagen mit »A.T.«. Über ganz Preußen hinweg wurden die Anschriften am Fahrzeug aber in der Praxis recht unterschiedlich gehandhabt: manchmal mit kleinen Buchstaben, manchmal mit und manchmal ohne Punkte.
Trotz der direktionsübergreifenden Nummerierung wurde im Regelfall die Eigentümerdirektion weiterhin gemeinsam mit der neuen Nummer am Längsträger des Fahrzeugs genannt. So kommt es bis heute immer wieder zu Unklarheiten, ob der Direktionsname auch nach 1910 noch fester Bestandteil der Nummer sein musste.
Wir haben uns bei den Fahrzeuglisten der preußischen Triebwagen für den Zeitraum ab 1910 dazu entschieden, jeweils die Bezeichnung zu wählen, die in der Literatur am üblichsten ist. Da die in ihren Netzen ortsfesten Elektrotriebwagen nicht direktionsübergreifend eingesetzt werden konnten, haben wir die Nummer mit der Eigentumsdirektionsangabe versehen, und zwar ohne den Zusatz »E.T.«. Bei den Verbrennungs- und Akkumulatortriebwagen haben wir anders verfahren, da sich hier die Einsatzdirektionen auch verändert haben – allerdings haben wir die Punkte weggelassen und einheitlich »VT« und »AT« geschrieben.
Dieses Bezeichnungsschema geriet 1913 an seine Grenzen, als die Auslieferung der A.T. 3/12-Doppelwagen bei der Nummer AT 500 ankam, also den Nummerbereich der Elektrotriebwagen berührte. Dennoch wurde an der bisherigen Praxis beibehalten und die neugelieferten Akkutriebwagen weiter bis AT 580 durchnummeriert. Da keine Akkutriebwagen in der KED Altona – wo die nummerngleichen Hamburger Vororttriebwagen eingestellt waren – beheimatet waren, bestand die Gefahr einer Verwechslung ohnehin nicht. Und auch die vier 1916 ausgelieferten vierachsigen Wechselstromtriebwagen für Berlin brachen mit ihren Nummern ET 1001 bis ET 1004 aus dem Rahmen aus.
Dieser Nummernplan blieb auch über 1920 hinaus bestehen und wurde erst bei der Deutschen Reichsbahn durch den Nummernplan von 1923 wieder abgelöst. Dieser bedeutete einen Rückschritt, da er wieder eine direktionsinterne Nummernvergabe vorsah. Erst mit den Nummernplänen von 1927 und 1930 sollte die DRG zu einer zentralen Nummernvergabe zurückkehren.
Nummernvergabe bei mehrteiligen Triebwagen
Bei den zweiteiligen Triebwagen, die in Preußen ab 1905 in den Einsatz gingen, wurde jede der beiden kurzgekuppelten Fahrzeughälften mit einer eigenen Nummer versehen. Die jeweils niedrigere (ungerade) Nummer erhielt bei den Vororttriebwagen der KED Altona die Wagenhälfte mit ausschließlich 3. Klasse, während die andere Hälfte mit der höheren (geraden) Nummer auch die 2. Klasse besaß. Genauso wurde ab 1908 mit den Akku-Doppelwagen verfahren.
Die Systematik wurde auch im Nummernplan von 1910 fortgeführt.
Ab 1913 ergaben sich bei der Beschaffung erster dreiteiliger Triebzüge Probleme mit dieser Nummerierung. Um die bisherige Systematik mit nur zwei Nummern fortzuführen, wurde der jeweils mittlere Wagen mit der niedrigeren Nummer und dem Zusatz »a« gekennzeichnet. Das wurde bei den »Doppelwagen mit Einschaltwagen« unter den Akkumulatortriebwagen ebenso praktiziert wie bei den für das schlesische Gebirgsnetz beschafften Wechselstrom-Elektrotriebwagen ET 831 bis ET 842.