Verbrennungstriebwagen

135 530. Foto: K. F. Seitz
VT 135 199 wurde bei der DR noch bis in das Jahr 1975 eingesetzt (Aufnahme von 1967).
171 026-8. Foto: M. Werning
Die VT 2.09 (später Baureihen 171 und 172) ersetzten in der ganzen DDR die Vorkriegsschienenbusse (171 026 in Haldensleben, 1991). Fotos: Karl-Friedrich Seitz, Malte Werning

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) aus den Beständen der ehemaligen DRB insgesamt 117 Triebwagen mit Verbrennungsmotor, die größtenteils in sehr schlechtem Zustand waren, teilweise auch stark geplündert wurden. Unter diesen Fahrzeugen befanden sich 16 zweiachsige Nebenbahntriebwagen der 135 000er-Nummerngruppe, ein Schmalspurtriebwagen, immerhin 53 vierachsige Triebwagen für den Neben- und Hauptbahnverkehr sowie 31 mehr oder weniger vollständige Triebzüge der Bauart Hamburg, Leipzig, Köln, Berlin, Kruckenberg, Ruhr I, Ruhr Ib sowie Stettin. Darüber hinaus wurden 73 Bei- und 40 Steuerwagen in der SBZ aufgefunden.

Obwohl die Direktionen entsprechende Lokzählungen und Meldungen an das EZA München weitergaben, wurde der dort im Oktober 1947 erarbeitete neue Nummernplan für die ehemaligen DRB-Triebwagen nicht übernommen. Die in der SBZ entstehende »neue« Deutsche Reichsbahn der DDR verwendete die bisherigen Nummern weiter, ergänzte aber in späteren Jahren schrittweise den Präfix »VT«, »VB« oder »VS« vor der Nummer. In den Lebensläufen der in den Fahrzeuglisten aufgeführten Fahrzeuge gehen wir pauschal davon aus, dass die Dieseltriebwagen bei der DR sofort den Zusatz »VT« erhielten – Fotos belegen allerdings, dass dies in vielen Fällen erst später bei anstehenden Neulackierungen und manchmal auch gar nicht ergänzt wurde. Wie auch immer: So entwickelte sich aus den bisherigen Stammnummern 133, 135 und 137 eine feste Baureihenbezeichnung, auch wenn diese »Baureihe« bestenfalls ein Sammelbecken für grundverschiedene, aber nach festgelegten Kriterien sortierten Fahrzeuge darstellte.

Neben den Verbrennungstriebwagen der Staatsbahn übernahm die DR zwischen 1949 und 1952 auch zahlreiche Verbrennungsmotortriebwagen, die auf den zahlreichen „in Volkes Hand“ übernommenen Klein- und Privatbahnen im Einsatz standen. »So wertvoll wie problematisch war die Triebwagenerbschaft«, beschreibt das Autorenteam des »6000er-Buchs« die vielen Wagen, unter denen es nur eine Handvoll baugleicher Exemplare gab. Der ohnehin unhomogene Triebwagenpark der DR wurde dadurch um viele Sonderlinge bereichert, deren Instandhaltung mangels vereinheitlichter Ersatzteile große Schwierigkeiten bereitete. Darunter befanden sich mehrere leichte Fahrzeuge ohne Zug- und Stoßvorrichtung (z.B. Wismarer Schienenbusse) genauso wie schwere Schlepptriebwagen mit 3560 kW/490 PS Leistung. Insgesamt wurden 21 Zweiachser mit Vergasermotoren (teilweise umgerüstet), 44 zweiachsige- und 37 vierachsige Dieseltriebwagen übernommen. Diese Fahrzeuge wurden in das bestehende Nummernsystem eingeführt, wobei grundsätzlich Ordnungsnummern ab 501ff vergeben wurden. Die jeweilige »Feinaufteilung« wird in jeder Unterseite separat aufgelistet. Entsprechendes galt für die übernommenen Bei- und Steuerwagen.

Die DR baute in den 1950er-Jahren mit den nach und nach reparierten Schnelltriebwagen der DRB-Ära einen hochwertigen Fernverkehr auf, der von Berlin aus Leistungen nach Hamburg, Prag, München, Wien, Saßnitz, Warschau, Brest und Budapest vorsah. Hierzu wurden teilweise auch die ursprünglich nicht unbedingt für den Fernverkehr vorgesehenen Triebwagen der Bauart »Ruhr« herangezogen. Um diese Verkehre sicherzustellen, übernahm die DR zum Jahreswechsel 1958/59 sogar noch acht weitere Einheiten von der westdeutschen DB. 1954 übernahm die DR drei ungarische Schnelltriebwagen der Bauart »Ganz«, die als Baureihe VT 12.14 nach einem neuen Nummernschema eingereiht wurden. Diese Fahrzeuge bewährten sich nicht sonderlich gut und wurden eher widerwillig eingesetzt.

1963 stellte der VEB Waggonbau Görlitz auf der Leipziger Frühjahrsmesse einen neu entwickelten Schnelltriebwagen VT 18.16 vor, mit dem die Schnelltriebwagen der Vorkriegsbauarten ersetzt werden sollten. Mit diesen Fahrzeugen, bei denen viele Bauteile mit anderen Produkten der DDR-Fahrzeugindustrie vereinheitlicht waren, konnte die DR auch international glänzen und setzte sie bis Kopenhagen, Malmö, Prag und Karlovy Vary ein.

1963 begann auch der Waggonbau Bautzen mit der Auslieferung der ersten Serienfahrzeuge des neuen VT 2.09. Dabei handelte es sich um einen neuen zweiachsigen Schienenbus für den Nebenbahneinsatz, der landläufig als »LVT« bekannt wurde und in den Folgejahren in immerhin 159 Exemplaren zuzüglich 89 Steuer- und 70 Beiwagen gebaut wurde. Im Januar 1970 wurde das letzte Fahrzeug ausgeliefert. Mit diesen Fahrzeugen war es der DR möglich, schon Anfang der 1960er-Jahre die meisten der unterhaltungsintensiven Triebwagen ihres »Privatbahn-Erbes« auszumustern, aber auch zahlreiche bislang lokbespannte Leistungen zu übernehmen. Spätestens in den 1970er-Jahren waren diese gerne als »Blutblasen« titulierten Schienenbusse nicht mehr von den Nebenstrecken der DR wegzudenken.

Bis 1964 konnte die DR die vierachsigen dieselmechanischen Triebwagen ausmustern. Auch die letzten zweiteiligen Triebwagen der Bauart »Stettin« mit dieselhydraulischem Antrieb wurden abgestellt und teilweise zu antriebslosen Beiwagen umgebaut. Die DR setzte aus unterhaltungswirtschaftlichen Gründen vor allem auf die verbliebenen dieselelektrischen Vorkriegs-VT und konnte so eine gewisse Vereinheitlichung erreichen.

Weit weniger erfolgreich waren zwei 1964 und 1965 gebaute Baumuster eines neuen vierachsigen Dieseltriebwagens für den Haupt- und Nebenbahndienst, die als VT 4.12. bezeichnet wurden. Sie waren als Basis für ein Serienfahrzeug gebaut worden, dass eigentlich die Ablösung für die vierachsigen VT 137 darstellen sollte. Da die Bauindustrie seinerzeit mit den VT 2.09 voll ausgelastet war, unterblieb eine weitere Entwicklung in diese Richtung.

Am 1. Juni 1970 führte die DR ein neues EDV-lesbares Nummernsystem ein, bei dem die Verbrennungstriebwagen im Baureihennummern im Bereich von 171 bis 188 erhielten, die Bei- und Steuerwagen (nicht jedoch die Mittelwagen) erhielten Baureihennummern von 190 bis 197.

In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden keine weiteren Verbrennungstriebwagen mehr beschafft.

Text: © Malte Werning

Quellen und Literatur

  • Dietz, Günther: Die Vorkriegs-Verbrennungsmotortriebwagen der DR im Jahre 1968. In: EK-Themen 12: Die DR 1968. Freiburg 1993.
  • Dietz, Günther / Jauch, Peter: Deutsche Schnelltriebwagen. Vom »Fliegenden Hamburger zum ET 403 der DB. Freiburg 2003.
  • Ebel, Jürgen-Ulrich / Knipping, Andreas / Quill, Klaus-Peter / Stange, Andreas: Die "6000er" der Deutschen Reichsbahn. Strecken und Fahrzeuge der enteigneten Privat- und Kleinbahnen in der DDR. Freiburg 2001.