Esslinger Triebwagen
Der »Esslinger Triebwagen« ist ein vierachsiger dieselmechanischer Triebwagentyp, den die ME auf der Basis des 1940 fertiggestellten Triebwagens für die Eisenbahn-AG Schaftlach-Gmund-Tegernsee zwischen 1949 und 1951 weiterentwickelte. Konkreter Auslöser war eine Anfrage der Deutschen Eisenbahn-Gesellschaft (DEG) im Jahre 1949, die für zahlreiche von ihr betreute Privatbahnen neue und preiswerte Fahrzeuge benötigte. Die ME hatte zu diesem Zeitpunkt bereits (unter Berücksichtigung der vom Dachverband der Privatbahnen herausgegebenen Hinweise und Merkblätter) den Fahrzeugtyp recht weit entwickelt und kam den Anforderungen der DEG am nächsten. Bis 1957 wurden immerhin 35 Wagen für verschiedene deutsche Privatbahnen gebaut. Er war damit deutlich erfolgreicher als Konkurrenzprodukte anderer Hersteller wie zum Beispiel der konzeptionell vergleichbaren »MaK-Großraumdieseltriebwagen«, der nur vergleichsweise kleine Marktanteile erlangen konnte. 1958 überarbeitete die ME den »Esslinger« noch einmal und konnte bis 1961 weitere 15 Exemplare der modernisierten Variante (2. Generation) verkaufen, so dass schlussendlich 50 Fahrzeuge entstanden (31 VT, 11 VS, 8 VB).
Die »Esslinger Triebwagen« wurden als 23,53 Meter lange Einheitsfahrzeuge entworfen, die sich im Wesentlichen nur in den Vorgaben ihrer Besteller in Bezug auf Inneneinrichtung und Antriebsanlage unterschieden. Die Wagenkästen wurden aus Profilen und Blechen geschweißt. Um auch Güterwagen mitführen zu können, wurden alle Wagen mit gewöhnlichen Zug- und Stoßvorrichtungen ausgeführt. Im Regelfall wurden alle Wagen mit je zwei Doppeltüren pro Wagenseite ausgerüstet, bei denen – eher ungewöhnlich – die Klinke außen saß und die Türflügel ihren Anschlag an einer Mittelkonsole in der Eingangsöffnung besaßen. Die Triebwagen besaßen an einem Fahrzeugende zusätzlich einen kleinen Gepäckraum mit einer zweiteiligen Gepäcktür. Die überarbeitete Version (2. Generation) hatte eine Länge über Puffer von 25,03 Meter, einen deutlich moderner wirkenden Wagenkasten mit rundumverlaufenden tiefen Schürzen.
Angeboten wurden die Triebwagen überwiegend mit je zwei unterflurig angebrachten Dieselmotoren. Dabei wurde bei den ersten Fahrzeugen mangels Alternativen auf dem Markt ausschließlich der schon vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte MAN-Motor W6V15/18A mit 110 kW/150 PS verwendet. Ab 1952 stand der Deutz-Motor A8L614 (107 kW/145 PS) zur Verfügung, der neuer Standard wurde. In zwei Triebwagen kamen Büssing-Motore zum Einbau, nämlich ein Büssing U 10 (110 kW/150 PS) im 23493 und ein U 15 (180 PS) im 23608. Die Kraftübertragung erfolgte im Regelfall auf den jeweils innenliegenden Radsatz der beiden Drehgestelle. Zwei Triebwagen (23608, 23775) sowie alle Triebwagen der 2. Generation erhielten Antrieb auf alle Radsätze. In der 2. Generation wurden immer je zwei Deutz-Motoren BA 12L614 mit 275 PS verwendet.
In mehrfacher Hinsicht bildeten drei »Esslinger« für die Bentheimer Eisenbahn eine Ausnahme: Bei ihnen kam ein Daimler-Benz-Motor MB 836 Ab mit 294 kW /400 PS zum Einbau, der nur ein Drehgestell antrieb. Wegen des besonderen Platzbedarfs für den Motor wurde dieser auf einem verstärkten und extra verlängerten Drehgestell aufgebaut. Da der Motor in den Innenraum ragte, musste außerdem der Fahrzeuggrundriss angepasst werden, so dass in den Einstiegsbereichen nur ein Türflügel zur Verfügung stand. Die Bentheimer Wagen sind auch die einzigen, bei denen Stirnwandtüren und Übergangsbrücken in der Fahrzeugfront vorgesehen wurde. Die wurde betrieblich allerdings nicht häufig benutzt und schließlich geschlossen. Die Fahrzeuge waren auch später leicht an dem schmaleren mittleren Frontfenster erkennbar und verfügten über einen ölgefeuerten Heizkessel für die Zugheizung, der im Gepäckraum untergebracht war.
Auch bei den Triebwagen 6 und 7 für die AKN (23349, 23350) und T 3 und T 4 der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn (BGE, 23384 und 23385) wurde abweichend motorisiert: Bei diesen vier Wagen wurde ein einzelner MAN-Motor W6V 17,5/22 A mit 220 kW/300 PS Leistung verwendet, der aufgrund seines Volumens in den Wageninnenraum ragte. Hier konnte die ME allerdings das Standarddrehgestell verwenden. Bei diesen Wagen wurde nur der gepäckraumseitige Einstiegsbereich mit einflügeliger Tür ausgestattet, der andere mit der gewohnten Doppeltür.
1. Generation (1951-1954)
Die Gattungsangaben beziehen sich – wie immer – auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrzeugs (die 3. Wagenklasse wurde erst 1956 abgeschafft). Die hier genannten Daten werden im Sinne einer einheitlichen Darstellung aufgeführt, sie entsprichen aber nicht immer den Angaben, die der Fahrzeugbetreiber tatsächlich auch im Anschriftenfeld des jeweiligen Fahrzeugs angebracht hat.
Die Triebwagen wurden, wie bereits oben angedeutet, mit verschiedenen Antriebsanlagen und dementsprechend auch unterschiedlichen Getriebelösungen ausgestattet. Die Angabe -dh im »Bauart«-Feld umfasst grundsätzlich auch hydromechanische und hydrodynamische Kraftübertragungen bzw. Mischformen.
Die Fahrzeuge dieser Liste entsprechen der ersten Ausführungsvariante mit dreifenstriger Front. Die Triebwagen erhielten große Frontleuchten, in denen das rote Zugschlusslicht integriert war.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Gattung | Skizzenblatt | Achsfolge | Bauart | ||||||
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26 Fahrzeuge | |||||||||||
23341 | FVE | VT 21 | 1951 | BCPw4vT | (1A)'(A1)'-dm | ||||||
23342 | FVE | VT 20 | 1951 | BCPw4vT | (1A)'(A1)'-dm | ||||||
23343 | WEG | T 10 | 1951 | CPw4vT | (1A)'(A1)'-dm | ||||||
23349 | AKN | VT 6 | 1951 | B'2'-dh | |||||||
23350 | AKN | VT 7 | 1951 | BC4vT | B'2'-dh | ||||||
23371 | FVE | VS 120 | 1951 | 2'2' | |||||||
23372 | OVAG | VT 33 | 1951 | BCPw4vT | (1A)'(A1)'-dm | ||||||
23384 | BGE | VT 3 | 1951 | BCPw4vT | B'2'-dh | ||||||
23385 | BGE | VT 4 | 1951 | BCPw4vT | B'2'-dh | ||||||
23436 | BE | VT 1 | 1952 | BCPw4ivT | B'2'-dh | ||||||
23437 | BE | VT 2 | 1952 | BCPw4ivT | B'2'-dh | ||||||
23438 | BE | VT 3 | 1952 | BCPw4ivT | B'2'-dh | ||||||
23439 | BE | VB 22 | 1952 | C4iv | 2'2' | ||||||
23440 | BE | VB 21 | 1952 | C4iv | 2'2' | ||||||
23441 | BE | VB 23 | 1952 | C4iv | 2'2' | ||||||
23493 | WEG | T 20 | 1952 | CPw4vT | (1A)'(A1)'-dm | ||||||
23494 | RStE | VT 61 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23495 | TWE | VT 60 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23497 | MB | T 64 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23498 | DEBG | VT 104 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23499 | DEBG | VT 103 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23500 | DEBG | VT 102 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23504 | HPKE | VT 62 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23550 | MB | T 63 | 1952 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23606 | BLE | VT 1 | 1953 | (1A)'(A1)'-dm | |||||||
23608 | KVG | VT 50 | 1954 | CPw4vT | B'B'-dm |
1. Generation (überarbeitet) (1955-1957)
1955 überarbeitete die ME die Konstruktion des »Esslingers« geringfügig, um ihm ein moderneres Aussehen zu geben. Zwei große Fensterscheiben ersetzten nun die bislang dreifenstrige Front, außerdem wurden die großen Leuchten durch getrennte Spitzen- und Zugschlussleuchten ersetzt. Damit näherte die ME das Erscheinungsbild des »Esslingers« an das Konkurrenzprodukt, den (deutlich weniger erfolgreichen) MaK-Großraumtriebwagen, an. Von dieser Variante wurden insgesamt nur neun Fahrzeuge gebaut, nämlich drei Trieb-, vier Steuer- und zwei Beiwagen.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Gattung | Skizzenblatt | Achsfolge | Bauart | ||||||
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9 Fahrzeuge | |||||||||||
23767 | NHS | VB 169 | 1955 | C4v | 2'2' | ||||||
23775 | MB | T 66 | 1955 | CPw4vT | B'B'-dm | ||||||
23778 | AKN | VT 8 | 1955 | CPw4vT | (1A)'(A1)'-dm | ||||||
23779 | AKN | VS 1 | 1955 | 2'2' | |||||||
23780 | AKN | VS 2 | 1955 | 2'2' | |||||||
24846 | KND | T 2 | 1956 | CPw4vT | (1A)'(A1)'-dh | ||||||
24892 | KS | VS 161 | 1956 | 2'2' | |||||||
24893 | KSch | VS 165 | 1956 | 2'2' | |||||||
24905 | DEBG | VB 222 | 1957 | B4v | 2'2' |
2. Generation (1959-1965)
Ab Baujahr 1958 wurden alle »Esslinger« in grundlegend überarbeiteter Formgebung gebaut. Der Wagenkasten wurde auf 24.200 mm verlängert. Die Führerräume erhielten zwei große Frontfenster, zwei kleine Eckfenster und zwei Seitenfenster für einen optimalen Rundumblick. Im Fahrgastraum herrschten nun gepolsterte Sitze und Übersetzfenster vor. Der gesamte Wagenkasten wurde von einer tiefen Schürze umkleidet, in die die Klappstufen des Einstiegsbereichs integriert wurden. Auch die Puffer wurden verkleidet. Das Dach war nun etwas flacher gehalten. In den Triebwagen standen 98 Sitzplätze, in den Steuerwagen 123 und in den Beiwagen 126 Sitzplätze zur Verfügung. Ausnahme war der VT 4 der Bentheimer Eisenbahn, der abweichend mit 8 Sitzplätzen 1. Klasse und 78 Sitzplätzen 2. Wagenklasse ausgestattet war. Bei ihm wurde auch der Gepäckraum vergrößert, in dem sich wieder die Zugheizeinrichtung befand.
Auch die Drehgestelle wurden leicht überarbeitet. Die Fahrzeuge waren überwiegend für 85 km/h zugelassen.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Gattung | Skizzenblatt | Achsfolge | Bauart | ||||||
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15 Fahrzeuge | |||||||||||
24999 | FKE | VT 101 | 1958 | BPw4vT | B'B'-dh | ||||||
25000 | FKE | VT 102 | 1959 | BPw4vT | B'B'-dh | ||||||
25001 | FKE | VT 103 | 1959 | BPw4vT | B'B'-dh | ||||||
25002 | FKE | VS 201 | 1959 | B4vS | 2'2' | ||||||
25003 | FKE | VS 202 | 1959 | B4vS | 2'2' | ||||||
25004 | FKE | VS 203 | 1959 | B4vS | 2'2' | ||||||
25005 | FKE | VS 204 | 1959 | B4vS | 2'2' | ||||||
25058 | BE | VT 4 | 1958 | ABPw4vT | B'B'-dh | ||||||
25059 | BE | VB 25 | 1958 | B4v | 2'2' | ||||||
25206 | DEBG | VT 108 | 1958 | BPw4vT | B'B'-dh | ||||||
25207 | DEBG | VB 223 | 1958 | B4v | 2'2' | ||||||
25264 | KSch | VS 162 | 1959 | B4vS | 2'2' | ||||||
25265 | DEBG | VB 224 | 1959 | B4v | 2'2' | ||||||
25620 | BE | VB 26 | 1960 | B4v | 2'2' | ||||||
25628 | FKE | VT 104 | 1961 | BPw4vT | B'B'-dh |
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Estler, Thomas: Fahrzeugportrait Esslinger Triebwagen. Stuttgart 2002.
- Estler, Thomas: Esslinger Triebwagen (I): Zeitlos schönes Fahrzeug. In: Lok-Magazin 355 (2011).
- Estler, Thomas: Esslinger Triebwagen (II): Mehrfach gewandelt. In: Lok-Magazin 356 (2011).
- Kochems, Michael: Privatbahntriebwagen in Deutschland. Köln 2001.
- Kochems, Michael: 50 Jahre Esslinger. In: Eisenbahn-Magazin 12/2001.
- Löttgers, Rolf: Benz ohne Stern in Niedersachen. Esslinger bei der Bentheimer Eisenbahn. In: Eisenbahn-Magazin 11/2018.
- Stern, Volkhard: Der Esslinger-VT der OVAG. In: Köln-Bonner Verkehrsmagazin Nr. 28 (2013).
- Weber, Alexander: Fotoalbum der Maschinenfabrik Esslingen: Triebwagen. Brilon 2021.