Triebwagentypen der Uerdinger Waggonfabrik
D
ie Waggonfabrik Uerdingen im gleichnamigen und heute zu Krefeld gehörenden Stadtteil wurde im März 1898 als Aktiengesellschaft gegründet und im Folgejahr eröffnet. Zweck war die Fertigung »aller Arten Eisenbahn-, Straßenbahn- und sonstigen Wagen und aller Transportmittel erforderlicher Gegenstände«. Heute gehört die Waggonfabrik zu den bedeutendsten deutschen Schienenfahrzeugherstellern und als Hersteller moderner Hochgeschwindigkeitszüge und Regionalbahntriebzügen zu Siemens Mobility. Die ersten Aufträge erhielt das Werk um die Jahrhundertwende von der Preußischen Staatsbahn. In den 1920er-Jahren verließen bis zu 3000 Wagen jährlich das Werk. Uerdingen machte mit einigen technischen Innovationen von sich Reden, so fertigte man für die DRG den ersten Reisezugwagen in Ganzstahlbauweise.
Vorkriegszeit
Zwar fertigte Uerdingen in den 1920er- und 1930er-Jahren auch zahlreiche Straßenbahnfahrzeuge und Omnibusse, blieb aber beim Bau von Triebwagen für Volleisenbahnen lange Zeit unauffällig. 1922 war Uerdingen nur an dem Bau der Versuchsfahrzeuge für die Berliner S-Bahn beteiligt, in den 1930ern baute der Hersteller einige Bei- und Steuerwagen für das Motortriebwagenprogramm der DRG.
Einen Meilenstein schuf Uerdingen dann 1927 mit einem zweiachsigen Dieseltriebwagen mit Hydronalium-Wagenkasten für die Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn, der lediglich 9,7 Tonnen Dienstmasse besaß und als ein erster Schienenbus mit eigenständiger Konstruktion bezeichnet werden darf. 1933 baute Uerdingen dann einen Schienenbus »Leichtbauart Uerdingen-Opel D.R.P.«, der sogar nur noch 5,1 Tonnen wog und bei einer Länge von 8,8 Metern 38 Sitzplätze bot. Sehr viele Elemente waren hier bereits dem Kraftfahrzeugbau entnommen worden. Das Vorführfahrzeug wollte sich allerdings kaum verkaufen, erst 1935 übernahm ihn die Lübeck-Büchener Eisenbahn für die von ihr betriebene Kleinbahn Lübeck-Segeberg.
1936 baute Uerdingen dann für die Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE, siehe Foto rechts) einen Triebwagenzug, bestehend aus einem VT und einem VB. Diese Fahrzeuge wiesen bereits so viele Konstrukionsmerkmale der späteren Nachkiegsschienenbusse auf, dass sie als wegweisend betracht werden können. Die Fahrzeugtechnik wurde in einem Fahrgestell des VT untergebracht, das sich schnell von der übrigen Fahrzeugkarrosserie trennen und getrennt warten ließ. Der Wagenkasten war selbsttragend in geschweißter Stahlleichtbauweise. Der Triebwagen besaß zwei Vomag-Dieselmotoren mit jeweils 115 PS Leistung. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 83 km/h angegeben, es standen 61 Sitzplätze zur Verfügung.
Die Uerdinger Schienenbusse
Im Jahre 1950 entwickelte die Waggonfabrik Uerdingen für das DB-Zentralamt München einen neuen Schienenbus, der als Baureihe VT 95 sowie ab 1955 in der zweimotorigen Variante als VT 98 sehr erfolgreich an die Staatsbahn verkauft wurde. Spätestens ab Mitte der 1950er-Jahre prägte der zweiachsige »Uerdinger Schienenbus« das Bild bundesdeutscher Nebenbahnen. Bei vielen Privatbahnen wurde diese Entwicklung mit großem Interesse verfolgt, denn auch hier gab es sehr großen Bedarf an modernen Triebwagen, um Rationalisierungseffekte zu erzielen und teure Betriebsabläufe zu vereinfachen. Während der vierachsige Esslinger-Triebwagen schon ab 1951 lieferbar war, aber vielen Bahngesellschaften eine Nummer zu groß war, gab es bis zum Erscheinen der Talbot-Triebwagen der Bauart Taunus und Aachen im Jahre 1952 praktisch keine Alternativen bei den zweiachsigen Triebwagen. So verwundert es nicht, dass Uerdingen auch mehrere Exemplare seines Schienenbusses auch an mehrere nichtbundeseigene Bahnen auslieferte und ab 1954 auch eine eigene Privatbahn-Variante des VT 95 anbot.
Dennoch blieben die Verkaufszahlen des Uerdinger Schienenbusses bei Privatbahnen eher gering. Schon 1955 erschien der MAN-Schienenbusse, der in mehreren Punkten, zum Beispiel beim Fahrtkomfort, dem Uerdinger Fabrikat überlegen war und schließlich das klassische Nebenfahrzeug auf deutschen NE-Bahnen wurde.
Vorserienfahrzeuge
Während die DB die VT-95-Prototypen erprobte, baute Uerdingen 1950 einen Vorführzug, bestehend aus einem VT und einem VB, der im August 1950 zu einem Sonderpreis an die Lübeck-Segeberger Eisenbahn verkauft wurde. Die Wagen entsprachen dem DB-VT 95 911 mit Einstiegstüren an beiden Wagenenden. Bemerkenswerterweise kaufte die LSE später auch noch den »langen« VT 95 9112 von der DB, so dass gleich zwei VT der Prototyp-Bauart bei dieser Bahn im Einsatz standen. Nach der Einstellung des Personenverkehrs im Jahre 1964 konnte der 9112 sogar noch an die Buxtehude-Harsefelder Eisenbahn weiterverkauft werden, während der »kurze Wagen« aufgegeben wurde.
Im Anschluss an die Export-Lieferung des VT 95 an Luxemburg baute Uerdingen 1951 auch zwei VT und zwei VB für die Hohenzollerische Landesbahn sowie einen VT für die Tecklenburger Nordbahn. Auch diese Wagen wurden in der viertürigen Version, also mit zwei Einstiegen pro Wagenseite, ausgeliefert. Die HzL-Fahrzeuge blieben bis 1970 im planmäßigen Einsatz, der VT 6 wurde dann an Eisenbahnvereinigungen abgegeben, wo ihm leider eine dauerhafte Erhaltung verwehrt blieb. Auch der Tecklenburger Wagen wurde bis 1970 eingesetzt.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Fahrzeugtyp | Achsfolge | Bauart | ||||||
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7 Fahrzeuge | |||||||||||
56834 | LSE | VB 1 | 1950 | VB 140 | 2 | ||||||
56866 | LSE | VT 1 | 1950 | VT 95 | A1-dm | ||||||
57064 | HzL | VT 6 | 1951 | VT 95 | A1-dm | ||||||
57065 | HzL | VT 7 | 1951 | VT 95 | A1-dm | ||||||
57066 | HzL | VB 16 | 1951 | VB 140 | 2 | ||||||
57067 | HzL | VB 17 | 1951 | VB 140 | 2 | ||||||
57068 | TN | 5 | 1951 | VT 95 | A1-dm |
Ausführung als Serienfahrzeug VT 95
Nachdem die Serienausführung des VT 95 für die Deutsche Bundesbahn nach dem ersten Baulos etabliert war, bestellte die Wilhelmshavener Vorortbahn einen eigenen baugleichen Triebwagen, der als VT 30 einige Jahre auf der alten Marinebahnstrecke in der Stadt unterwegs war. Zu dem VT gehörte auch ein Beiwagen VB 40, der ebenfalls den DB-Serien-VB 142 entsprach. Da er – ebenso wie die meisten zu diesem Zeitpunkt für die DB gebauten VB 142 – auch von Orion in Eschwege gefertigt wurde, ist er in der nachstehenden Liste nicht aufgeführt. Beide Fahrzeuge trugen einen sandgelben-grünen Anstrich.
Der VT 30 blieb der einzige Serien-VT 95, den Uerdingen direkt ab Werk an eine nichtbundeseigene Bahnverwaltung verkaufte. Der Wagen wurde später noch an die Hümmlinger Kreisbahn, an die EBOE und an die Vorwohle-Emmnertahler Eisenbahn weitergereicht. Das Fahrzeug ist heute als Denkmal vor dem Ringlokschuppen in Ottbergen in schlechtem Zustand erhalten, nachdem er auch bereits einige Jahre in Boffzen an der Weser als Blickfang diente. Der Beiwagen blieb nicht erhalten, er wurde 1985 verschrottet.
Privatbahn-Variante VT 95 mit Regelkupplung und Puffern (»VT 95 P«)
Einige weitere Privatbahnen zeigten Interesse an Uerdingens VT 95, doch störte man sich an der fehlenden Möglichkeit, bedarfsweise Güter- und Personenwagen anzuhängen. Ab 1954 bot die Waggonfabrik den Schienenbus daher auch mit einer verstärkten Front, Hülsenpuffern, Zughaken und Schraubenkupplung an. Außerdem konnte der Triebwagen nun auch mit den Büssing-Motoren U 9A (150 PS) und U 10 (180 PS) geliefert werden. Die meisten Fahrzeuge dieser Privatbahnausführung wurden mit Übersetzfenstern ausgerüstet, die eine deutlich bessere Durchlüftung gewährleisteten, als dies bei der DB-Ausführung möglich war.
In dieser Variante lieferte Uerdingen zwischen 1954 und 1968 insgesamt 13 VT aus, für die sich in der Literatur gelegentlich rückblickend die Bezeichnung »VT 98 P« durchgesetzt hat. Das ist darauf zurückzuführen, dass diese Fahrzeuge optisch durch Puffer und Kupplung eher dem späteren DB-VT 98 ähneln, der erstmalig 1955 ausgeliefert wurde. Da es sich technisch um VT 95 handelt, verwenden wir in der nachfolgenden Liste die Bezeichnung »(VT 95 P)« – die allerdings keinen offiziellen Unterlagen entnommen ist.
Der erste Triebwagen in dieser Ausführung ging an die Bentheimer Eisenbahn (BE). Dazu wurde auch ein Beiwagen geliefert, und zwar erstmalig in der langen Bauart mit 6 Metern Achsstand, der dem späteren VB 98 ohne Packabteil entsprach.
Die Kleinbahn Weidenau-Deuz (KWD) beschaffte 1955 neben zwei VT gleich drei Beiwagen, nunmehr alle in der langen Version. 1956 und 1960 ergänzten zwei weitere Triebwagen sowie zwei reine Sitz-Beiwagen den Bestand. Diese Fahrzeuge wurden mit Vielfachsteuerung ausgeliefert, so dass zwei VT in einer Einheit in Doppeltraktion gefahren werden konnten. Die Frage, welche der Beiwagen ein Gepäckabteil besaßen, beantworten die diversen Quellen leider sehr unterschiedlich.
Die Hersfelder Kreisbahn stellte insgesamt drei Triebwagen in Dienst, dazu einen langen von Credé gefertigten Beiwagen (VB 61). Einen weiteren Beiwagen (VB 60) bezog die Kreisbahn direkt von Orion, wobei dieser Wagen wieder mit kurzem Achsstand (aber natürlich Hülsenpuffern, Zughaken und Schraubenkupplung) ausgeliefert wurde. Dieses Fahrzeug nimmt dadurch eine Sonderstellung ein.
Die Elmshorn-Barmstedt-Oldesloer Eisenbahn (EBOE) kaufte 1961 zwei Triebwagen und einen Steuerwagen . Letzterer entsprach nun den DB-VS 98, besaß allerdings kein Packabteil. Die EBOE ergänzte ihren Bestand 1967 und 1968 um zwei weitere fabrikneue VT, außerdem übernahm sie die Schienenbusgarnitur der Bentheimer Eisenbahn und den VB 29 der KWD, wobei letzterer in einen Steuerwagen umgebaut wurde.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Fahrzeugtyp | Achsfolge | Bauart | ||||||
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20 Fahrzeuge | |||||||||||
60044 | BE | T 2 | 1954 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
60045 | BE | VB 24 | 1954 | (VB 98) | 2 | ||||||
60229 | HKB | VT 50 | 1955 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
60230 | HKB | VT 51 | 1955 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
60302 | KWD | VT 21 | 1955 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
60303 | KWD | VT 22 | 1955 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
60837 | KWD | VB 25 | 1955 | (VB 98 Pw) | 2 | ||||||
60838 | KWD | VB 24 | 1955 | (VB 98) | 2 | ||||||
60841 | KWD | VB 23 | 1955 | (VB 98) | 2 | ||||||
62482 | KWD | VT 26 | 1956 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
? | ESt | 1958 | (VT 95 P) | A1-dm | |||||||
65316 | HKB | VT 52 | 1959 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
67363 | KWD | VB 29 | 1960 | (VB 98 Pw) | 2 | ||||||
67364 | KWD | VB 28 | 1960 | (VB 98) | 2 | ||||||
67365 | KWD | VT 27 | 1960 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
68639 | EBOE | VT 27 | 1961 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
68640 | EBOE | VT 28 | 1961 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
68641 | EBOE | VS 21 | 1961 | (VS 98) | 2 | ||||||
72837 | EBOE | VT 3.09 | 1967 | (VT 95 P) | A1-dm | ||||||
73620 | EBOE | VT 3.10 | 1967 | (VT 95 P) | A1-dm |
Ausführung als Serienfahrzeug VT 98
Die 1953 nach Insolvenz des Vorgängerunternehmens neugegründete Kahlgrund-Verkehrs-GmbH (KVG) bestellte 1959 je einen zweimotorigen Schienenbus der VT-98-Bauart der DB sowohl bei der Waggonfabrik Uerdingen als auch bei MAN (siehe hierzu die MAN-Seite in dieser Rubrik). Dabei stand im Fokus, dass die Triebwagen auch als Schlepptriebwagen eingesetzt werden konnten. Bei der Kahlgrundbahn war es üblich, auch den Güterverkehr mit Triebwagen und den Personenverkehr mit Beiwagen abzuwickeln.
Die Fahrzeuge wurden direkt aus der laufenden VT-98-Produktion der DB entnommen und weisen keinerlei technische Unterschiede zu diesen auf. Selbst die kleinen Aufstellfenster der DB-Fahrzeuge wurden beibehalten. Die beiden als VT 54 und VT 55 bezeichneten Fahrzeuge erhielten die Beinamen »Falke I« und »Falke II« – die Namen wurden auf den Wagenseiten unterhalb der Lüftungsschlitze angebracht – und zogen im Streckeneinsatz nicht nur die betagten Vorkriegs-Beiwagen, sondern oft auch die kurzen Güterzüge der Bahn. In den 1970er-Jahren wurden sie mit Jägermeister-Werbung versehen. Auffällig waren sehr kleine Lkw-Rückspiegel für den Fahrzeugführer. 1976 ergänzte die Kahlgrundbahn ihren Schienenbusbestand um einen Gebrauchtkauf, nämlich den von der DB übernommenen 798 731-6, der als VT 58 eingereiht wurde.
Beide Triebwagen wurden 1985 außer Dienst gestellt und von den neuen NE-81-Triebwagen abgelöst. Während der MAN-VT 55 verkauft wurde und heute nochexistiert, wurde der Uerdinger VT 54 im Jahr 1988 verschrottet.
Gliedertriebzug auf VT-98-Basis
Einen Sonderling stellte in Deutschland ein dreiteiliger Gliedertriebzug dar, der aus dem VT 98 abgeleitet worden war und ab 1966 bei der Hersfelder Kreisbahn im Einsatz stand. Ab 1962 lieferte die Waggonfabrik Uerdingen mit einigem Erfolg dreiteilige breitspurige Schienenbuszüge nach Spanien, bei denen Faltenbalgübergänge eine Durchgangsmöglichkeit durch den ganzen Zug ermöglichten. Uerdingen baute um 1965 eine zweiteilige Garnitur nach diesem spanischen Entwurf als Vorführzug für die deutsche Normalspur, bestehend aus dem VT und einem kurzgekuppelten VS. Nachdem die HKB den Zug übernommen hatte, entstand 1968 auch noch der passende Mittelwagen, der die Garnitur zu einem Dreiteiler komplettierte.
Dieser Zug sollte der einzige seiner Art in Deutschland bleiben. Als auffällige Besonderheit fiel das besonders große dritte Spitzenlicht auf, das es in dieser Form auch auf den spanischen Zügen gab. Der Glieder-Schienenbus blieb bis in die 1990er-Jahre im Einsatz. Nach der Aufgabe des Personenverkehrs bei der Hersfelder Eisenbahn wurde der Zug verkauft, aber kaum noch eingesetzt. Mehrfach wechselten sowohl die Eigentümer als auch die Abstellorte. Heute steht die Garnitur mit unklarer Zukunft abgestellt in Zittau.
Triebwagen für die WLE
Für den Eilzugeinsatz zwischen Münster und Warstein bestellte die Westfälische Landes-Eisenbahn (WLE) 1952 bei der Waggonfabrik Uerdingen drei neue vierachsige Triebwagen sowie drei zugehörige vierachsige Steierwagen nach gleichem Grundriss. Diese Triebwagen waren durchgängig geschweißt und boten einen ungewöhnlichen, durch die glatte Außenhaut eleganten und außerordentlich modernen Eindruck. Der Fahrwerksbereich wurde größtenteils durch Schürzen verdeckt. Die Fahrzeuge wurden untereinander mit Scharfenberkupplungen verbunden. Als Besonderheit besaßen diese Fahrzeuge zwei Wagenklassen mit durchgängiger Polsterung, in der 1. Wagenklasse wurde der Gang in Seitenlage ausgeführt. Neben dreiteiligen Falttüren an den Wagenenden für den Fahrgasteinstieg besaßen die Triebwagen in der Wagenmitte ein Postabteil, das von außen über eine Schiebetür erreicht werden konnte. Die Fahrzeuge besaßen Vielfachsteuerung für eine gemeinsame Traktion mit bis zu vier Trieb- und Steuerwagen.
Zu diesem Zeitpunkt, 1952, hatte auch die DB noch keine vergleichbarten Fahrzeuge in ihrem Bestand. Die WLE-Triebwagen wurden zwischen März und Mai 1953 geliefert und waren zunächst 60 km/h schnell. Jeder Triebwagen besaß zwei Deutz-Motoren A 8 M 517 mit je 132 kW Leistung, später wurde die Leistung noch erhöht. Die Wagen hatten eine Länge über Kupplung von 23.480 mm. Sie standen bis 1975 bei der WLE im Einsatz und wurden dann nach Italien verkauft. Mitte der 1980er-Jahre wurden sie verschrottet.
Der Moerser T 22
Die Werkstatt der Moerser Kreisbahn zeigte sich in den 1940er- und 1950er-Jahren oftmals kreativ, weil sie auf der Basis altgedienter Wagenfahrgestelle neue Aufbauten für Dieseltriebwagen und für optisch angepasste Beiwagen anfertigte. Ein besonderes »Markenzeichen« der Moerser Kreisbahnzüge waren die Schürzen am Rahmen, die mit kräftiger roter Farbe den Blick auf das Fahrwerk teilweise verdeckten. Das galt nicht nur für die Triebwagen, sondern auch für die Personenwagen der Bahn.
1953 schuf die Moerser Werkstatt auf dem 1933 gebauten Fahrgestell des Beiwagens VB 41 einen sehr modern wirkenden zweiachsigen Dieseltriebwagen, bei dem die Waggonfabrik Uerdingen Teile zugeliefert hatte und daher als Mit-Erbauer des Moerser T 22 gilt. Der Triebwagen wurde mit einem Büssing-Unterflurmotor U 9A mit 95 kW Leistung angetrieben, konnte 70 km/h erreichen und stand bis 1981 im Einsatz. Er bietet 60 Sitzplätze und hat eine Länge über Puffer von 13.890 mm. Es ist fraglich, ob Uerdingen ihn mit einer eigenen Fabriknummer versah.
Mit dem Kauf zweier MAN-Schienenbusse veräußerte die NIAG (Nachfolgeunternehmen der Moerser Kreisbahn) den Triebwagen 1981 an den Bürgerverein für die Förderung des Schienenverkehrs. 1984 wechselte er zur Mindener Museums-Eisenbahn. Seit 2003 ist er bei der Museums-Eisenbahn Rahden-Uchte als T 2 im Einsatz.
Der Y-tog für Dänemark
Triebwagenarchiv behandelt eigentlich nur Fahrzeuge, die auch in Deutschland im Einsatz waren. Dennoch soll auch der dänische Y-tog an dieser Stelle erwähnt werden, denn er ist entwicklungstechnisch der nächste Schritt bei den Uerdinger Fahrzeugtypen für Nebenbahnen und wurde außerdem mit einem Zweiteiler kurz auch durch die Deutsche Bundesbahn in Süddeutschland getestet (791 001-1 + 991 601-6).
Um 1962 wandten sich mehrere dänische Privatbahnen an verschiedene Hersteller, um ein neues, einheitliches Fahrzeug zu entwickeln, das die bislang eingesetzten überalterten Schienenbusse ablösen sollte. Die Waggonfabrik Uerdingen ging daraus mit einem vierachsigen Drehgestell-Dieseltriebwagen hervor, der dem Konzept nach als Einzel- und als Endwagen mit Übergang ausgeführt werden konnte. Für die mehrteiligen Einheiten wurden auch Mittel- und Steuerwagen geplant.
In Dänemark wurde der »Y-tog« (abgeleitet von Uerdingen, denn das Y spricht sich im dänischen wie „Ü“) ein voller Erfolg. Nicht nur fast alle dänischen Privatbahnen, auch die DSB selbst nahmen zwischen 1965 und 1988 insgesamt 75 Motorwagen, 55 Steuerwagen und 18 Mittelwagen ab. Der Fahrtkomfort lag deutlich über den bislang eingesetzten Fahrzeugen. Die Fahrzeuge konnten mit Scharfenbergkupplungen, als auch mit Hülsenpuffern und Regelkupplungen geliefert werden. Ab Mitte der 1990er-Jahre wurden die Fahrzeuge ausgemustert, die letzten Exemplare laufen 2024 noch planmäßig auf der Lemvigbanen.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Ebel, Jürgen-Ulrich / Högemann, Josef / Löttgers, Rolf: Schienenomnibusse aus Uerdingen. Bd 1: Technik und Geschichte bei DB, Privatbahnen und im Ausland. Freiburg 2001.
- Fiegenbaum, Wolfgang / Klee, Wolfgang / Krause, Günter / Risse, Friedrich: Die Diesellokomotiven und Triebwagen der WLE. Band 2: Fahrzeuge und Anlagen der Westfälischen Landes-Eisenbahn. Hövelhof 2011.
- Kabelitz, Andreas / Werning, Malte: VT 95-98 – Der Uerdinger Schienenbus. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 1/2012. Fürstenfeldbruck, 2012
- Löttgers, Rolf: Der Uerdinger Schienenbus. Nebenbahnretter und Exportschlager. Stuttgart 1985.
- Poulsen, John: Letbyggede Motortog fra Uerdingen. Roskilde 1993.
- Riedel, Lothar / Wolff, Gerd: Deutsche Klei- und Privatbahnen. Band 5: Nordrhein-Westfalen, nordwestlicher Teil. Freiburg 1998.
- Werning, Malte (Hrsg.): Schienenbusse – VT 95-VT 98: Triebwagen-Veteranen der 50er Jahre. München 2001.
- Werning, Malte: VT 95 der Bundesbahn: Der Einmotorige. In: Lok-Magazin 507 (2023).