1949-1960: Weitere Triebwagen für »Private«
Neben den populären MAN-Schienenbussen, die MAN mit einigem Erfolg zwischen 1955 und 1969 für mehrere nichtbundeseigene Eisenbahnen baute, war MAN nach dem Zweiten Weltkrieg mit Aufträgen für die Deutsche Bundesbahn, für den Export und auch für den Straßenbahnsektor sehr erolgreich. Im Zeitraum zwischen 1949 und 1960 lieferte MAN aber auch einige weitere Triebwagentypen für verschiedene andere deutsche Bahngesellschaften aus, die auf dieser Seite aufgelistet werden.
Die bemerkenswerteste Konstruktion sind dabei sicherlich die beiden vierachsigen Dieseltriebwagen für die Deutsche Eisenbahn-AG, bei der es sich um eine recht provisorisch anmutende Adaption eines im Rohbau fertiggestellten und eigentlich für die Türkei bestimmten Doppeltriebwagens handelte. Bei den elektrischen Zahnradtriebwagen für die Zugspitzbahn handelte es sich um maßgeschneiderte Triebwagen nach schweizer Vorbild. Der Schienenbus für die Kahlgrundbahn hingegen wurde einer laufenden Bauserie von DB-Schienenbussen entnommen und konstruktiv nicht abgewandelt.
Die »Türken« für die Deutsche Eisenbahn-AG
Bei diesen beiden vierachsigen Dieseltriebwagen handelt es sich um bemerkenswerte Exoten, die eigentlich für den Export bestimmt waren. Sie entstammen aus einer Serie von sechs Doppeltriebwagen mit Wagenübergang, die im Oktober 1940 von der Türkischen Staatsbahn bei MAN in Auftrag gegeben wurden. Der Bau der Fahrzeuge verzögerte sich kriegsbedingt, Ende 1942 befanden sie sich erst im Rohbau, bis 1944 wurden fünf fertiggestellt, aber nur einer tatsächlich in die Türkei geliefert. Nach Kriegsende stand eine Einheit geplündert in Nürnberg. In der damalige Not, an an brauchbare Triebwagen heranzukommen, kaufte die Deutsche Eisenbahn-AG (DEAG) 1947 diese Einheit und ließ sie umbauen und vervollständigen. Aus den beiden Zughälften wurden eigenständige Triebwagen geschaffen, wobei an der Übergangsseite neue Führerräume und Frontpartien gefertigt werden mussten. Beide Triebwagen wurden mit MAN-Motoren vom Typ 12V17,5/18 mit je 420 PS Leistung ausgestattet und waren 24,025 m über Puffer lang. Die Wagen wurden als DEGA I und DEGA II bezeichnet. DEGA I ging im September 1949 zunächst an die Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn, dann ab Oktober 1949 an die Rinteln-Stadthagener Eisenbahn, DEGA II 1950 an die Teutoburger Wald-Eisenbahn. Noch 1952 wurden sie nach dem neuen DEG-Schema in VT 91 und VT 92 umgezeichnet.
Die eigentlich für den Fernverkehr konzipierten Fahrzeuge bewährten sich nicht sonderlich gut. Der Rintelner »Türke« wurde im Oktober 1969 verschrottet, der Lengericher schon im Januar 1968.
Zahnradbahn-Triebwagen für die Bayerische Zugspitzbahn
Anfang der 1950er-Jahre begann die meterspurige Bayerische Zugspitzbahn (BZB), ihren Fahrzeugpark zu modernisieren. Nach Schweizer Vorbild setzte man nun auf leistungsfähige Triebwagen. Dafür wurde ein Konsortium gebildet, in dem neben AEG und Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik für die Technik und Elektrik auch MAN für den wagenbaulichen Teil beauftragt wurde. Im Oktober 1954 wurde der erste Wagen in Betrieb genommen, 1956 und 1958 folgten die Wagen 2, 3 und 4. Alle Wagen sind als Drehgestellfahrzeuge für reinen Zahnradbetrieb ausgelegt. Der Antrieb wird nur auf die Zahnräder, nicht auf die Radsätze übertragen. Im Betrieb wurde den Triebwagen bergseitig ein Vorstellwagen beigefügt, um die Fahrgastkapazitäten zu erhöhen.
Die Triebwagen bewährten sich gut und ersetzten einen Teil der Berglokomotiven der BZB. Ihr Einsatz führte dazu, dass die Fahrzeit auf der Strecke deutlich gesenkt werden konnte. Sie wurden bis 2006 eingesetzt und dann durch Neubaufahrzeuge ersetzt. Triebwagen 1 wurde 2015 verschrottet, Nr. 4 an einen Privatmann verkauft und Nr. 3 der Stadt Nürnberg übergeben. Lediglich Triebwagen 2 ist noch vorhanden und wurde bis 2018 eingesetzt.
VT 98 für die Kahlgrundbahn
Die 1953 nach Insolvenz des Vorgängerunternehmens neugegründete Kahlgrund-Verkehrs-GmbH (KVG) bestellte 1959 je einen zweimotorigen Schienenbus der VT-98-Bauart der DB sowohl bei der Waggonfabrik Uerdingen als auch bei MAN, die den Schienenbus aus Krefeld in Lizenz baute. Dabei stand im Fokus, dass die Triebwagen auch als Schlepptriebwagen eingesetzt werden konnten. Die Fahrzeuge wurden direkt aus der laufenden VT-98-Produktion der DB entnommen und weisen keinerlei technische Unterschiede zu diesen auf. Als Beiwagen dienten lange Zeit Personenwagen und später Vorkriegs-Beiwagen (VB 140), die man altbrauchbar von der DB übernehmen konnte. Die Triebwagen erhielten die gleiche purpurrote Lackierung wie die DB-Schwesterfahrzeuge, fielen aber durch eine großflächige »Jägermeister«-Reklame unter dem Fensterband aus dem Rahmen. Auffällig waren sehr kleine Lkw-Rückspiegel für den Fahrzeugführer. Die Schienenbusse standen bis ungefähr 1985 im Einsatz.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Kabelitz, Andreas / Werning, Malte: VT 95-98 – Der Uerdinger Schienenbus. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 1/2012. Fürstenfeldbruck, 2012.
- Löttgers, Rolf: Der Türke. Die bewegte Geschichte einer Triebwagenbaureihe. In: Eisenbahn-Magazin 8/1984.
- Mackinger, Gunter: Treffen der Generationen. In: Lok-Magazin 510 (2024).