Regelturmtriebwagen (TVT)

Skizze: WMD

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ls die Deutsche Bundesbahn nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem ehrgeizigen Elektrifizierungsprogramm die wichtigsten Hauptstrecken außerhalb des süddeutschen E-Netzes unter Fahrdraht setzen wollte, mussten hierfür eine große Menge neuer Instandhaltungsfahrzeuge beschafft werden. In den Bestand der DB gelangten aus der DRG/DRB-Zeit 18 Turmwagen mit und ohne Antrieb verschiedenster Bauarten, die dem künftigen Bedarf in keiner Weise gerecht werden konnten. 1954 beschaffte die DB versuchsweise bei FKF einen kleinen zweiachsigen angetriebenen Turmwagen, der auf einen Vorkriegsentwurf zurückging und als Klv 60 eingereiht wurde - er blieb ein Einzelstück. Auch insgesamt 30 zwischen 1954 und 1958 beim Hersteller Robel beschaffte „Kleinstturmwagen“ der Reihe Klv 61 waren für kleinere Inspektionen im Einzugsgebiet einer Fahrleitungsmeisterei durchaus ausreichend, aber für größere Fahrleitungsschäden, bei denen ein schnelles und mit leistungsfähiger Werkstatt ausgerüstetes Fahrzeug benötigt wurde, weitgehend ungeeignet. Weitere Informationen hierzu gibt es auf der Einleitungsseite und auf unserer Partnerseite www.nebenfahrzeuge.de.

Das BZA München, federführend für die Beschaffung neuer Fahrzeugtypen bei der DB, sah 1954 in dem gerade in Entwicklung befindlichen Fahrgestell für den zweimotorigen VT 98 eine gute Basis für die Planung eines neuen Turmtriebwagens, ohne dass eine vollständige Neuentwicklung notwendig werden musste. Das Fahrgestell ließ eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h für schnelle Überführungen zu Arbeitseinsätzen ebenso zu wie die Ausgestaltung der Aufbauten mit einem Werkstattraum und einer Hebekonstruktion für eine dreh- und hebbare Arbeitsbühne auf dem Fahrzeugdach. Die Antriebsleistung der zwei U9A-Büssing-Motoren war grundsätzlich ausreichend, um im Bedarfsfall auch einzelne Geräte- und Materialwagen bis zu 40 Tonnen Anhängelast zu schleppen.

Die DB bestellte eine kleine Vorausserie von neun Turmtriebwagen bei der Waggon- und Maschinenbau GmbH in Donauwörth (WMD). Im Mai und Juni 1955 (zwei Monate vor dem ersten Serien-VT 98) wurden die Wagen ausgeliefert, die an die Direktionen Karlsruhe (3), Nürnberg (3), Regensburg (1), Essen (1) und Wuppertal (1) geliefert wurden. Eine Baureihenbezeichnung gab es für die neuen Turmwagen nicht, sie wurden üblicherweise als »Regelturmtriebwagen« (TVT) benannt. Die Nummerierung folgte dem DB-Standard für Dienstwagen der 1950er/60er-Jahre, bestehend aus Direktionsabkürzung und laufender vierstelliger Nummer. In der Literatur findet sich gelegentlich auch die Bezeichnung »VT 55«, offenbar angelehnt an das erste Baujahr. Nachgewiesen ist allerdings, dass wenigstens vier Wagen des Baujahres 1960 bei ihrer Auslieferung eine Baureihennummer VT 93 trugen (mehr dazu in dieser Diskussion bei drehscheibe-online.de).

Antriebstechnisch entsprechen die TVT exakt den VT 98, so dass in den Folgejahren im AW Kassel bei anstehenden Hauptuntersuchungen die Fahrgestelle beider Typen durchgetauscht werden konnten. Die Leichtbauweise der Schienenbusse mit aluminiumverkleidetem Stahlgerippe eignete sich aber nicht für die Turmwagen und deren schwere Ausrüstung. Die umfangreichen Dachaufbauten mit Hebebühne und der zu berücksichtigende starken Zuladung erforderten neben einem verstärkten Rahmen auch Stahlbauweise des Wagenkastens.

Äußerlich wirken die Triebwagen wie eine besonders »robuste« Version des VT 98. Der gesamte Wagenkasten wurde um 40 cm erhöht. Auffällig sind dabei die vierflügeligen Doppelfalttüren in jeder Wagenseite mit einer lichten Türbreite von 1,58 m, um das Ein- und Ausladen sperriger Ausrüstungsgegenstände zu ermöglichen. Auf dem Dach wurde eine Arbeitsbühne aufgebaut, ein Prüfstromabnehmer (zur Erdung und zur Spannungsmessung) und eine Beobachtungskanzel über dem Führerraum 1. Die Turmtriebwagen wurden durchgehend in dem kräftigeren Karminrot (RAL 3002) lackiert, nicht in dem ansonsten üblichen Purpurrot der DB-Triebwagen.

Nach der Vorausserie entstanden ab 1957 insgesamt elf weitere Lieferserien, wobei die bestellte Anzahl an Triebwagen jeweils dem Bedarf im sich langsam größer werdenden elektrischen Streckennetz angepasst wurde. Bis 1964 wurden insgesamt 108 Exemplare gebaut, von denen bis auf drei Wagen alle von WMD gefertigt wurden. Insgesamt vier WMD-Wagen von 1960 und 1962 wurden versuchsweise mit nur einem Motor ausgeliefert.

Nach einer kurzen Unterbrechung wurde die TVT-Fertigung 1967 mit einer 7. Bauserie wieder aufgenommen, wobei nun Uerdingen die Lieferung von 15 Exemplaren übernahm.

Zum 1. Januar 1968 wurden alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgelieferten 115 zweimotorigen Regel-Turmtriebwagen EDV-gerecht in die Baureihe 701 umgezeichnet. Die vier einmotorigen Wagen erhielten die neue Baureihenbezeichnung 702. Bis 1974 wurden noch weitere 47 Exemplare nachgebaut.

Da die Fahrzeuge bis zum 31. Dezember 1967 keine eigene Baureihenbezeichnung hatten, werden sie in der nachfolgenden Liste in der Reihung ihrer Auslieferung von 1955 bis 1967 aufgelistet. Diese entspricht nicht der Reihenfolge der späteren 701-Nummern.

• Boldt, Arend: Bahndienstfahrzeuge. Gülzow 1997.
• Kabelitz, Andreas / Werning, Malte: VT 95-98 – Der Uerdinger Schienenbus. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 1/2012. Fürstenfeldbruck, 2012.
• Löttgers, Rolf: Vierzig Jahre Regelturmtriebwagen Baureihen 701/702. In: Lok-Magazin 193 (1995).

• Werning, Malte: Bahndienst-Schienenbusse. Die gelben Instandhaltungshelfer der Deutschen Bahn. In: Lok-Magazin 206 (1997).
• Werning, Malte (Hrsg.): Schienenbusse – VT 95-VT 98: Triebwagen-Veteranen der 50er Jahre. München 2001.