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Während die Regelturmtriebwagen wegen ihres besonderen Einsatzzweckes Neukonstruktionen waren, ging die DB bei einigen weiteren Spezialfahrzeugen, die teilweise nur als Einzelstücke benötigt wurden, dazu über, aus den in großer Stückzahl vorhandenen VT 95 oder VT 98 Mess- oder Prüffahrzeuge umzubauen.
Schon 1956 ließ das Bundesbahn-Zentralamt Minden aus dem damals erst wenige Monate alten VT 98 9552 und dem fabrikneuen Steuerwagen VS 98 022 einen Ultraschall-Schienenprüfzug herrichten. Seine Aufgabe war eine kontinuierliche Materialprüfung der Schienen nach dem Impuls-Echo-Verfahren. So konnte erstmalig eine zerstörungsfreie und sehr schnelle Materialprüfung der Schienen im laufenden Bahnbetrieb erfolgen, wenngleich diese Methode zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen noch in den Kinderschuhen steckte. Hierfür wurde unter dem Wagenboden des Steuerwagens ein herabsenkbares Prüfgestell angebracht, in dem spezielle Prüfköpfe die Schienen durch einen dünnen Wasserfilm während der Fahrt untersuchten. Die Messergebnisse wurden in einem Registrierstand aufgezeichnet und konnten später ausgewertet werden.
Ein solches Fahrzeug war seinerzeit einmalig und erregte auch im Ausland einiges an Aufsehen. Trieb- und Steuerwagen wurden stets gemeinsam eingesetzt und erhielten als Dienstwagen die Nummern 5087 und 5088 der BD Hannover. Mit der Einführung der UIC-Nummern 1968 wurden sie als 721 001-6 (Triebwagen) und 722 001-5 (Prüfsteuerwagen) eingereiht.
Bei dem Umbau wurden die Innenräume der beiden Wagen vollständig verändert. Der VT 98 wurde zu einem Mannschafts- und Schlafwagen umgerüstet und erhielt eine Küche, einen Aufenthaltsbereich und fünf Etagenbetten. Dabei wurde das dem Steuerwagen zugewandte Führerpult ausgebaut und durch Einbauschränke ersetzt. Ein zusätzliches Dieselaggregat sollte den Steuerwagen mit Strom versorgen. Im Steuerwagen selbst befand sich neben dem genau mittig angeordneten Registrierstand ein Werkraum und eine Dunkelkammer sowie ein Waschraum. Großen Raum nahmen Wasserbehälter in Anspruch, die für das Koppelwasser der Prüfköpfe benötigt wurden. Im Wagenboden befanden sich zwei Schaufenster zur Beobachtung des Prüfwagens über den Schienen. Die Untersuchung der Gleise konnte nur in eine Richtung, nämlich Steuerwagen voraus, und mit höchstens 30 km/h erfolgen.
Obwohl dieser Prüfzug eigentlich nur ein Provisorium war, blieb er fast 20 Jahre lang bundesweit im Einsatz. Erst 1975 ging sein aus dem 614 abgeleiteter dreiteilige Nachfolger 719/720 in Dienst und übernahm dessen Aufgaben. Am 30. Juni 1976 wurde der Zug daraufhin ausgemustert und später verschrottet.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Boldt, Arend: Bahndienstfahrzeuge. Gülzow 1997.
- Kabelitz, Andreas / Werning, Malte: VT 95-98 – Der Uerdinger Schienenbus. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 1/2012. Fürstenfeldbruck, 2012.
- Werning, Malte: Bahndienst-Schienenbusse. Die gelben Instandhaltungshelfer der Deutschen Bahn. In: Lok-Magazin 206 (1997).
- Werning, Malte (Hrsg.): Schienenbusse – VT 95-VT 98: Triebwagen-Veteranen der 50er Jahre. München 2001.